Powerfrau aus Mardin – Eine Jungpolitikerin mit klaren Vorstellungen
Februniye Akyol Akay ist gerade mal 27 Jahre alt und bereits seit über einem Jahr die zweite Bürgermeisterin der Provinzhauptstadt Mardin in der gleichnamigen Provinz in der Südosttürkei. Und das in einer Gegend, in der aufgrund der ethnischen Spannungen es zwischen Kurden und dem türkischen Militär immer wieder zu Konflikten kommt. Eingebettet in einer patriarchalischen Struktur, in der Frauen normalerweise eine klare Rolle als Hausfrau und Mutter zugewiesen bekommen. Doch die Zeiten ändern sich.
Februniye ist jung, tough und selbstbewusst. Beim Gespräch mit dem Mitglied der pro –kurdischen HDP lässt sie den Gesprächspartner nicht aus den Augen. Die angehende Masterstudentin für syrische Sprachen, die der christlichen Minderheit angehört – im türkischen Sprachraum Suryani/Suryoye (Aramäer, Assyrer, Chaldäer) genannt – bringt ihre Sichtweisen klar und deutlich zur Geltung.
Neben den Bestrebungen Frauen in einer von Männern dominierten Welt volle Gleichberechtigung zu gewähren, ist es vor allem das Ziel, Minderheiten mehr Rechte zukommen zu lassen. Nicht entkoppelt vom Staat, sondern gemeinsam mit einer offenen und liberalen Politik, von der alle gleichberechtigt profitieren sollen. Dass dies aktuell nicht der Fall ist, sagt sie offen und direkt. Besonders die massive Einschüchterung seitens der AKP während der letzten Wahlen findet heftige Kritik in ihren Worten. Die gezielt einseitige Berichterstattung hätte einen Zustand der Angst in der Bevölkerung geschürt. Dies kann kein demokratischer Prozess sein, an dem ein freies Europa Interesse haben kann. Die Europäer, und im Besonderen Deutschland, sollten sich ein genaueres Bild der Lage machen.
Stattdessen scheint es eher so, als ob die deutsche Kanzlerin mit ihrem Besuch und dem darauf erfolgten Ausschlachten dieser Gegebenheiten in den Medien, mit einem positiven Effekt für die AKP, eher das Gegenteilige bewirkt hat.
Wenn man dieser jungen Dame so zuhört, keimt Hoffnung auf. Hoffnung, dass eine junge und starke Generation, mit klaren politischen Zielen, der Türkei zu neuen Wegen verhelfen kann. Und gerade in einem Land, in dem Frauen fast schon dazu verpflichtet werden, einem männlich – traditionellen Weltbild zu folgen, stellen weibliche Politiker wie Februniye eine immense Bereicherung dar.
Nicht nur als Vorbild für weibliche Nachwuchspolitiker, sondern im Sinne der Menschlichkeit als Chance in einem Staat mit multikultureller Vielfalt.
Stolz präsentiert sie mir an der Pforte des Rathauses das Eingangsschild, welches dieses als solches erkennen lässt. Ausgewiesen in Türkisch, Kurdisch, Arabisch und Aramäisch.
Mit glänzenden Augen und einem provokanten Lächeln sagt sie mir: „Das gibt es nur bei uns und sonst nirgends in der Türkei“.
Dem kann ich nicht widersprechen.
Simon Jacob, Tur Abdin, Mardin – 04.11.2015